Mechanische Uhren schickt man ab und an zur Revision, sprich zur Generalüberholung. Smartwatches bekommen Updates. So auch die Apple Watch, seit heute gibt es das Betriebssystem Watch OS in der Version 1.0.1. Viel hat sich nicht getan, doch nehmen wir das Update als Anlass für einen Rückblick auf unsere ersten Wochen.
Gamechanger? Disruptive? Eine Revolution? Lang diskutiert sind Smartwatches seit Apples Markteinstig wirklich ein Thema geworden. Wir haben uns vor 3 Wochen den digitalen Wecker umgeschnallt und versuchen uns an einer vorurteilslosen Bewertung. Ist das Zeitalter der intelligenten Armbanduhren angebrochen? Wenn ja, welchen Sinn erfüllen die dienstbaren Zeitgeister? Mit der Apple Watch ist der zunächst wohl wichtigste Marktteilnehmer angekommen und wir machen uns an den Selbstversuch. Wie ändert sich der Alltag mit einer Smartwatch? Werden wir uns schon nach kurzer Zeit fragen, wie wir bislang ohne dieses Tool leben konnten?
Dienstag, 28. April 2015
Da ist sie. Um den Arm gewunden, 42mm großes Display, ein Metallarmband (noch). Betreut durch zwei US-Kollegen von Apple durften wir die Apple Watch „unboxen“, einrichten und natürlich anlegen. Ein Kinderspiel – ehrlich. Seit dem jüngsten iOS-Update ist die passende App gleich auf Apples Smartphones installiert, welch subtile Form der Werbung. Wer keine Apple Watch hat, kann sich hier zumindest die Videos anschauen, die von der schönen neune Technikwelt künden. Wir dürfen schon konfigurieren.
Was macht man zuerst? Man erkundet die unterschiedlichen Zifferblätter, neudeutsch „Faces“ genannt. Neben uhrentypischen Zeigervarianten gibt es da unseren aktuellen Favoriten namens „Modular“, der neben der Uhrzeit auch Kleinigkeiten wie den nächsten Termin, die via Internet greifbare Temperatur und eine weitere Weltzeit anzeigt. Dazu gibt es Varianten mit animierten Hintergründen und die überaus bezaubernde Mickey Mouse, die locker swingend mit ihren beiden Armen die Uhrzeit anzeigt. Klar, dass der Nachwuchs diese Version lieben wird.
Die begleitende App auf dem iPhone erlaubt die Konfiguration der Uhr. Da gibt es Sicherheitsfeatures wie den Sperrcode, der aktiviert wird, wenn man die Uhr ablegt, kann man Helligkeit und Textgröße variieren. Viel wichtiger sind allerdings die Einstellungen, welche Apps mit der Uhr kommunizieren sollen, denn diese entscheiden über die Anzahl und Art der Meldungen, die wir bekommen werden. Wir entscheiden da nach Bauchgefühl, erst einmal sollen sich möglichst viele Programme bemerkbar machen, wir wollen das neue Spielzeug ja fordern.Ein wenig Zeit ist noch bis zum nächsten Termin, diese nutzen wir, um das Metallarmband gegen eine Lederversion auszutauschen, auch das ist in wenigen Augenblicken erledigt. Das neue Armband schließt magnetisch – sehr elegant. Überhaupt funktionieren die meisten Dinge exakt so, wie man es erwartet. Wenn sich die Apple Watch zu Wort meldet, das tut sie mit einem Vibrationssignal, dann wird die entsprechende Meldung erst angezeigt, wenn man das Display in die richtige Lage gebracht hat, sehr löblich.
Mittwoch, 29. April 2015
Vor uns liegt heute ein Termin in Amsterdam. Das weiß schon morgens das Display zu berichten. Auf der knapp dreistündigen Fahrt macht sich die Watch mehrfach bemerkbar, schließlich haben wir sie so konfiguriert, dass sich jede Benachrichtigung bei Facebook auch am Arm zeigt. Es ist definitiv an der Zeit für autonome Fahrzeuge, dann hat man einfach mehr Spielraum zur Kommunikation. Spaßig: Unterwegs wird immer das lokale Wetter, zumindest die Temperatur angezeigt – völlig „location based“ also.
Vor Ort dann Erstkontakt mit Neugierigen. „Zeig mal!“ und „Die ist jetzt besser als die anderen Dinger?“ beherrschen die Kommunikation. „Ist die besser?“, das scheint der Konversationsstarter zu werden, vor allem unter Android-Nutzern. Nach zwei Tagen vermag man das nicht zu beantworten, genauso die Frage: „Braucht man das?“. Lassen wir die Technik weiter auf uns wirken.
„Es ist schon Nachmittag und die Apple Watch liegt immer noch auf ihrer Ladestation. Wir haben einfach vergessen, sie anzulegen. Das wird heute wohl nichts mit den realitätsnahen Statistiken über Aktivität und Gesundheit.“
Freitag, 1. Mai 2015
Oh Mann, es ist schon Nachmittag und die Apple Watch liegt immer noch auf ihrer Ladestation. Das wird heute wohl nichts mit den realitätsnahen Statistiken über Aktivität und Gesundheit. Der Feiertag zeigt seine Spuren, wir sind nicht bemüht, uns mit Beruflichem, folglich mit Technik herumzuschlagen. Also bleibt die Uhr auf dem kleinen Puck, der sie induktiv lädt. Ist das ein Zeichen für unsere Nichtakzeptanz der neuen Technik? Scham kommt auf, schließlich gehören wir zu den ersten, die dieses Wunderwerk ausprobieren dürfen. Wir geloben Besserung und tragen für den Rest des Tages wieder Uhr. Die Bewegungsstatistik rettet das an diesem Tag nicht.
Aktivität ist eines der Kernelemente der Watch. Die Möglichkeit, Bewegungen zu erfassen, haben auch Smartphones per se oder die zahllosen Aktivitätsbändchen. Die Apple Watch misst auch den Puls und – Gerüchten zufolge – ist der Sensor sogar in der Lage, den Blutsauerstoffanteil zu bestimmen. Auch wenn letzteres noch nicht der Fall ist, hat so eine digitale Petze am Arm den Vorteil, dass man seine täglichen Aktivitäten nachvollziehen kann. Hat man Körpergröße, Alter und Gewicht eingetragen, ermittelt der Prozessor die verbrannten Kalorien, notiert unerbittlich, ob wir uns bewegen und ermahnt auf Wunsch auch regelmäßig dazu, doch mal eine Weile im Stehen zu arbeiten. Nett, wirklich. Man fühlt sich nicht gegängelt, sondern beraten, gut gemacht Apple.
Mittwoch, 6. Mai 2015
Vor uns liegt wieder ein Terminmarathon: Hamburg – Berlin – Hamburg. Zwei Tage abseits von Büro und Zuhause. Eigentlich eine gute Gelegenheit, die Apple Watch mal in Sachen Batterielaufzeit auf die Probe zu stellen. Apple selbst sagt zu dem Thema ja nur, dass die Watch den Tag über funktioniert und abends aufgeladen werden sollte. Die Website gibt sich schwammig: Bis zu 48 Stunden Zeitmessung, bis zu 6,5 Stunden Training. Kurz vor Ende der Batterie schaltet die Uhr auf „Gangreserve“ um, dann wird nur noch die Zeit angezeigt. Was bedeutet das im Alltag? Wir starten unsere Tour gen Hamburg. Unterwegs rasseln die üblichen Benachrichtigungen herein: Facebook, WhatsApp, Nachrichten und Kleinigkeiten wie Instagram, Twitter & Co. Ab und zu passt es verkehrstechnisch, sodass ein Blick aufs Handgelenk verrät, ob die Nachricht eine weitergehende Beschäftigung erfordert. Passt es nicht, ist das kein Drama, der nächste Kaffeestopp kommt bestimmt. Hamburg, gut drei Stunden Termin, und schon geht es wieder ins Auto in Richtung Hauptstadt. Das Szenario „on the road“ ist ähnlich wie auf dem ersten Teil der Tour.
Berlin, Check-in im Hotel, Klamotten in den Schrank hängen und ab zum Abendessen. Ein Blick in die „Checks“, eine Reihe von Infos, die man über einen Wisch mit dem Finger über das Uhrendisplay bekommt, verrät, dass die Apple Watch noch satte 61 Prozent Kapazität hat. Nach dem Abendessen und vielen Vorführereien sind es vor dem Schlafen noch knapp über 50. Wir lassen den Ladepuck in der Tasche – volles Risiko.
Donnerstag, 7. Mai 2015
Mit dem iPhone gemeinsam war die Apple Watch die Nacht über im Schlafmodus, mit 48 Prozent Restkapazität starten wir in den Tag. Ein paar Termine rund um die re:publica, dann geht es wieder ins Auto und über den Schlenker nach Hamburg schließlich nach Hause. Gegen 20.00 Uhr landen wir in heimischen Gefilden, die Apple Watch ist bei 12 Prozent Kraftreserve angelangt. Zwei Arbeitstage und knapp 1.500 Kilometer im Auto scheinen also problemlos zu klappen, manchmal zahlt sich mangelnde Sportlichkeit offensichtlich aus.
Montag, 18. Mai 2015
Knapp drei Wochen sind wir jetzt zum Redaktionsschluss mit Apples Smartwatch unterwegs. Die Zahl der Apps, die den „Third Screen“ nutzen wollen, liegt mittlerweile wohl deutlich im vierstelligen Bereich. Bei den Entwicklern scheint das Teil angekommen zu sein, ganz ohne Zweifel. Wir haben das digitale Helferlein mittlerweile so konfiguriert, dass nur noch wichtige Nachrichten zu uns durchdringen. Für alles andere gibt es das Smartphone mit mehr Diagonale und der Möglichkeit, auch längere Texte einzugeben. Dafür nutzen wir immer öfter die Spracheingabe: Arm hoch und „Hey Siri“, schon verrät uns die Uhr, wie das Wetter wird. Shazam via Spracherkennung verlangt leider noch nach der Nutzung des iPhones, während die App auf der Smartwatch die Musik direkt erkennen kann. Da gibt es noch Potenzial. Kundenkarten liegen dank Stocard am Arm bereit und beim nächsten Flug werden wir auch mal per Passbook am Gate unsere Technikaffinität beweisen (oder doch die Papiertickets herausholen). Fortsetzung folgt…
Fazit
Erstes Fazit: Für ein Fazit ist es zu früh. Die Technik funktioniert reibungslos, die absoluten Killerfeatures lassen zurzeit noch auf sich warten. Ja, man kann den Ladezustand seines BMW i3 am Arm ablesen, wir fahren aber keinen. Ja, man könnte in den USA berührungslos mit der Uhr zahlen, hierzulande geht das leider noch nicht. Aber die Aktivitätsfeatures sind zugegebenermaßen schon mal hochinteressant und sicherlich ein Kaufgrund. Viel berauschender ist jedoch das zukünftige Szenario, wenn sich der Hightech-Wecker zu Wort meldet, falls gerade Freunde in der Nähe sind, das Auto abgeschleppt wird oder die Luftqualität in der Megacity bedrohlich schlecht wird. Es sind unserer Meinung nach, die sorgsam ausgewählten Benachrichtigungen, die den Wert der Apple Watch im Alltag ausmachen und die gigantische Entwicklergemeinde wird zeigen, was sie mit dieser Option anfangen kann. Apps auf der Uhr zu starten, macht bislang wenig Sinn, denn erstens ist das Display für viele Anwendungen zu klein und zweitens muss man das iPhone ja zwingend in der Nähe haben, um kommunizieren zu können. Vielleicht straft uns die Zukunft Lüge – wir sind gespannt.
Man muss zwei Arten von Nutzungen auf der Apple Watch unterscheiden. Die üblichste sind Notifications, also Benachrichtigungen. Bei der Entwicklung einer App scheint das nur ein weiteres Kreuzchen zu sein, anders lässt sich die Flut an Programmen nicht erklären, die „auch“ auf der Apple Watch Bescheid geben wollen, wenn etwas passiert. Ob das Sinn macht, kann zum Glück jeder für sich entscheiden, denn in den Einstellungen der begleitenden iPhone-App kann man für jedes Programm getrennt entscheiden, ob man diese Informationen bekommen möchte. Noch weiter gehen die Konfigurationsmöglichkeiten bei Emails, hier lässt sich jedes Mailkonto einzeln aktivieren. Auch Kalendermitteilungen lassen sich nur selektiv darstellen, wenn dies gewünscht ist.Ein ganz anderes Kapitel hingegen sind Apps, die auf dem Homescreen der Apple Watch dargestellt werden. Auch hier gibt es viel Sinnloses, denn nicht alle Programme machen mit dem kleinen Bildschirm wirklich Sinn. Aufgerufen wird der Homescreen über die Krone der Uhr, mit einem Dreh daran kann man die Größe der Symbole ändern, mit dem Finger navigiert man über die Oberfläche. Das geht durchaus intuitiv, bei vielen Icons verliert man aber vergleichsweise schnell den Überblick über die Programme. Wir halten die Augen offen und werden in Zukunft das eine oder andere Programm detailliert vorstellen.