Die Neuauflage des R8 rollt, nein faucht im Herbst in den Handel. Ein Supersportwagen mit – je nach Ausführung – mehr als 610 PS: Wir durften das Biest bereits „erfahren“ und sind nach dem Erstkontakt süchtig und das liegt nicht mal nur an der Rennstrecke, die für den Auslauf zur Verfügung stand.
Der Blick auf das großformatige Display im Armaturenträger verrät, dass im weiteren Verlauf der Strecke ein paar schöne Kurven warten, doch vor uns bummelt ein Konvoi von Kleinwagen, gefangen hinter einem Laster, dem Geschwindigkeit offensichtlich nichts zu bedeuten scheint. Die Gelegenheit taucht in Form eines graden Landtraßenstücks auf, wir setzen Blinker, vergewissern uns, dass die Schaltung im Sportmodus ist, scheren aus und treten das Pedal bis zum Ende durch. Die Automatik überlegt nicht erst lange, sondern schaltet direkt hinunter in den zweiten Gang, der Zehnzylinder hinter den Sitzen faucht in Sekundenbruchteilen infernalisch und brachiale Kraft treibt den R8 und damit auch uns nach vorne. In Momenten ist der komplette Konvoi überholt, wir können wieder einscheren und uns auf die bevorstehende Kurvenhatz freuen. Dass der Tacho dabei sicher ein Tempo jenseits der hier zugelassenen 90 km/h angezeigt hat, ist klar. Beim Tritt auf die Bremse, um wieder in zumindest näherungsweise legale Bereiche zurückzukehren, schaltet das Getriebe mit eleganten Pausen Gang um Gang zurück, nicht ohne dabei ein herrliches Schaltfauchen aus dem Auspuff zu entlassen.
So müssen Autos sein. Nicht die, mit denen man morgens den Nachwuchs zur Schule bringt oder in den Supermarkt fährt, sondern der Typ Auto, der in der schlicht weiß belassenen und sonst völlig leeren Garage auf seinen Einsatz wartet wie ein Kampfjet im Hangar. Dann kommt sie, diese Gelegenheit, ein schöner Tag, keine Termine, kein Veto von Frau oder Nachwuchs und man öffnet die Tür, nähert sich lächelnd seinem Gefährt und gleitet in den Sitz. Die Designer haben beim R8 ganze Arbeit geleistet, das Ding sieht nicht nur äußerlich so aus, als wolle er die vor ihm liegende Strecke mit seinem Kühlergrill aufsaugen, auch innen ist ein perfekter Arbeitsplatz entstanden. Fahrerzentriert, alles auf einer Linie, wie der Interieurdesigner zu berichten weiß. Eigentlich braucht man die Bedienelemente in der Mittelkonsole nur, um die Temperatur einzustellen oder einmalig am markanten Wählhebel auf „D“ oder besser „S“ zu schalten. „S“ wie Spaß. Der Rest steckt im Lenkrad, dort wo die Hände in dieser Fahrzeugklasse hingehören. Für den Startvorgang gibt es einen unübersehbaren roten Taster im Lenkrad, für die Wahl der Fahrzeugabstimmung zwischen „gemäßigtem“ Comfort und „maßlosem“ Sport.
Wer es schafft, im Tunnel die Fenster nicht herunterzulassen, um den Motorsound zu genießen, muss schon extrem selbstbeherrscht sein
Eine Taste mit dem Symbol einer Rennfahne bremst Assistenz- und Regelsysteme weitestgehend aus, sodass der Audi auch mal seitwärts fährt, wenn dies denn gewünscht ist und der Fahrer es beherrscht. Hier auf den Landstraßen Portugals braucht man das nicht, ganz im Gegenteil. Die mitunter ambitioniert reparierten Schlaglöcher zeigen, wie brillant die Kombination aus Fahrwerk, und Regelsystemen funktioniert. Der R8 fühlt sich in jeder Situation absolut sicher an, man muss keine Rennlizenz machen, um dieses Geschoss zu beherrschen. Mit ein Grund dafür ist sicher auch der Allradantrieb, denn natürlich ist ein R8 in bester Audi-Tradition ein Quattro. Das befähigt die große Variante, den V10 plus mit sagenhaften 610 PS und 540 Newtonmetern dazu, in 3,2 Sekunden auf 100 und in knapp unter zehn Sekunden auf 200 zu beschleunigen, ach was zu katapultieren. Die Kraft kommt aus einem, für unsere Zeit ganz untypisch, Saugmotor mit zehn Zylindern und 5,2 Litern Hubraum. Was der Audi an Luft ein und an Abgasen ausatmet, kann so – im Rahmen gesetzlicher Vorgaben – nahezu ungedämpft in adrenalintreibenden Sound umgesetzt werden. Ein Taste am Lenkrad schaltet diesen noch zwischen Standard und Sport um, letztere Einstellung sollte man seinen Nachbarn ersparen, wenn man sehr früh durch das Wohngebiet gurgelt. Vernehmlich ist auch die akustische Standardinszenierung schon, im Sportmodus schreit der Zehnzylinder und wer es schafft, im Tunnel die Fenster nicht herunterzulassen, um das zu genießen, muss schon extrem selbstbeherrscht sein.
Let’s Race
An unserem Ziel, der Rennstrecke Portimao, lassen wir den Motor abkühlen und haben etwas Zeit, uns dem Exterieur zu widmen. Der R8 wirkt seinem Vorgänger gegenüber verfeinert, eleganter, zugleich aber noch sportlicher. Die geduckte Linie wird von Elementen wie den seitlichen Blades nochmals perfektioniert, auf dem Heck des V10 plus thront statt des motorisch ausfahrenden Heckspoilers ein feststehendes, größeres Exemplar. Das Heckfenster gibt den Blick auf den Motor frei, diesen Ausblick könnte man eigentlich nachts noch illuminieren, finden wir. Grundsätzlich ist sich der R8 natürlich optisch treu geblieben, aber gerade die kleinen, feinen Änderungen machen ihn edler, zum Vorzeigeobjekt. Wo Öffnungen sind, haben diese einen Sinn, dafür verschwinden beispielsweise die Türöffner in dem schicken Faltenwurf der Seitenlinie und lassen den großartigen Entwurf auf diese Art visuell unversehrt.
Genug der Bewunderung, die Rennstrecke ruft. Audi hat hier an der Algarve den Kurs von Portimau oder wie er offiziell heißt, das „Autodromo Internacional Algarve“ als großen Spielplatz gemietet, um die fahrdynamischen Fähigkeiten des R8 auch unter legalen Bedingungen auszuloten. So ein Kurs hat andere Regeln, hier geht es nicht um legeres Schnellfahren, sondern um den ständigen Wechsel zwischen langsam und schnell und das auf einem Kurs, bei dem die nächste Kurv nicht immer einsehbar ist. Ohne intensive Instruktion geht das nur im Schneckentempo, mit einem erfahrenen Piloten im Visier lassen sich die Reize der Strecke hingegen hervorragend ausloten. Was der R8 auf der Landstraße verspricht, löst er auch auf den 4.684 Metern ein, die hier in die Landschaft der Algarve gezeichnet wurden. Was der brachiale Zehnzylinder auf den geraden, die immerhin 64 Prozent der Strecke ausmachen, an Geschwindigkeit aufbaut, verwandelt das Bremssystem vor den Kurven gnadenlos in Wärme. Ohne dabei Schwächen zu zeigen. Es braucht Vertrauen in das Führungsfahrzeug, um die teils uneinsehbaren Kurven nach dessen Vorgaben anzusteuern, sonst endet die Fahrt schnell im Kiesbett oder zumindest ruiniert eine unrühmliche Notbremsung den Schnitt und damit die B-Note für den künstlerischen Ausdruck. Folgt man hingegen der Ideallinie und bremst brav an den so markierten Stellen, dann kommt man sich selbst als Alltagspilot vor wie ein Rennfahrer.
Ein bisschen Technik
Den R8 gibt es in zwei Varianten. Eine zivilere namens V10 und die enthemmtere namens V10 plus. Beide besitzen den gleichen Zehnzylinder mit 5.204 Kubikzentimetern Hubraum. Ein Saugmotor, also ohne Turbolader oder Kompressoren. Das verhilft dem Aggregat zu kontinuierlichem Schub und macht ihn ausgesprochen drehfreudig. Der „normale V10 mobilisiert bereits beeindruckende 540 PS und 540 Newtonmeter. Erstere liegen bei 7.800 Umdrehungen an, das bedeutet aber nicht, dass man mit dem R8 nicht auch einfach bei niedrigen Drehzahlen über die Landstraße bummeln kann, dazu bedarf es einfach nur purer Körperbeherrschung. Im V10 plus, erkennbar an seinem festen Heckspoiler, liegen bei 8.250 Umdrehungen souveräne 610 PS an. Dass das kein Papierwert fürs Auto-Quartett ist, beweisen die ersten Meter auf der Straße. Das Biest geht noch brutaler zur Sache, zeigt bis zu höchsten Tempi keinerlei Spuren von Ermüdung und verschafft dem Fahrer einen dauerhaften Adrenalinkick. Mit dieser Maschine wird vorausfahrender Verkehr auf der Landstraße nicht als Hindernis wahrgenommen, sondern als erneute Gelegenheit für einen Überholvorgang. Der V10 fährt maximal 320 km/h, der Audi mit dem plus legt noch 10 Sachen drauf, beide Werte sind für den Alltag eher theoretischer Natur, Legende Autobahn hin oder her. Viel aussagekräftiger ist da schon das Leergewicht, das beim V10 bei 1.595 und beim V10 plus gar bei 1.555 Kilo liegt. Da wiegt schon ein zart motorisierter Audi A6 mehr und selbst die meisten Varianten des A4 bringen mehr auf die Waage. So wenig Gewicht bekommt man für so viel Geld nur sehr selten.
Supersportwagen, 540 bzw. 610 PS, 540 bzw. 560 Newtonmeter, 320 bzw. 330 km/h Höchstgeschwindigkeit
Audi R8 V10 Coupé 165.000 Euro
Audi R8 V10 plus Coupé 187.400 Euro
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