Videokunst, das waren früher technisch aufwändige Installationen mit zahllosen Bildröhren, man erinnere sich nur an Nam June Paiks Werke. Was seit den späten 60er Jahren dank Videorecordern mit großem Aufwand realisierbar war, ist heute technisch viel einfacher geworden. Da könnte die Videokunst doch bald in unsere Wohnungen einziehen, entsprechend große Bildschirme dürften ja überall vorhanden sein.
Die Videokunst hat eine rasante Entwicklung hinter sich, die sich heute sowohl in ihrem Marktwert als auch durch die Allgegenwart von Videokunst im musealen Ausstellungskontext spiegelt. Grund hierfür ist nicht zuletzt die technische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, die die Videokunst aus ihrem Nischendasein enthob und zu neuer Sichtbarkeit verhalf. Kunst und Technologie stehen dabei in einem symbiotischen Verhältnis, das auch kreatives Potenzial zu entfachen vermag. Neue Darstellungsoptionen, und damit auch einer bisher nicht dagewesene Darstellungsqualität, wie UHD TV-Bildschirme sowie Kunstschaffende, die analoges und digitales Handwerk vereinen, setzen frische Impulse.
„Das projizierte Kunstvideo steht heute in einer musealen Präsentation mit einer solchen Selbstverständlichkeit neben anderen klassischen Bildern“
Die Generation, die heute selbstverständlich von digitalen, bewegten Bildern umgeben ist und diese selbst zunehmend produziert und distribuiert, kann sich kaum mehr vorstellen, mit welch rasanten Schritten die Entwicklung in nur wenigen Jahrzehnten vor sich ging. Besonders offensichtlich ist dies im Bereich der Videokunst. Dieter Daniels, Mitbegründer der Videonale Bonn 1984 und Professor für Kunstgeschichte und Medientheorie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, beschreibt die Entwicklung treffend: „Das projizierte Kunstvideo steht heute in einer musealen Präsentation mit einer solchen Selbstverständlichkeit neben anderen klassischen Bildern, wie es seinem neuen Status als gleichwertig zur Sammlung gehörendem Objekt entspricht. Bis in die 1980er Jahre hingegen waren Kunstvideos im Ausstellungskontext noch nicht konkurrenzfähig, denn sie wurden meist in einem abgedunkelten Sonderraum als Programm mit eine Abfolge von mehreren Beiträgen auf Monitoren gezeigt. Videokunst war ein Zwitter zwischen Exponat und Kino, mit einem eigenen Zeitplan, der oft nicht zu dem der normalen Besucher passte […].“
Die Anerkennung der Videokunst schlägt sich nicht zuletzt in einer rasanten Wertsteigerung nieder, bei der sechsstellige Summen für die limitierte Kopie eines Videos keine Seltenheit mehr ist und wir davon ausgehen können, dass die Wertsteigerung noch zunehmen wird. Das Interesse an Videokunst geht dabei von öffentlichen Sammlungen als auch zunehmend von Privatsammlern aus. International anerkannt ist beispielsweise die 2007 öffentlich zugängliche Privatsammlung der jungen Sammlerin Julia Stoschek in Düsseldorf, die sich hauptsächlich auf das Sammeln von Videoarbeiten spezialisiert hat.
Unbestreitbar hat für den neuen Ausstellungsstatus von Videokunst der technische Fortschritt in der Bildherstellung und Präsentation eine wesentliche Rolle gespielt, wobei Künstler seit jeher die neuen technischen Errungenschaften für sich genutzt und zum Teil aktiv vorangetrieben haben. Das bewegte Bild unterliegt dabei einem scheinbar nie abschließbarem Prozess der Adaption an neue Standards, was sich an der Umformatierung von 16-mm-Filmen auf Digital Beta und High Definition (HD) zeigt. Aller Voraussicht nach wird auch der von Elektronikherstellern wie Samsung vorangetriebene, neue digitale Bildstandard Ultra High Definition (UHD) in diesem Sinne genutzt werden. Mit sehr dicht gesetzen Bildpunkten, hohem Kontrastumfang und großen Farbräumen ermöglichen aktuelle UHD-Displays Digitalkünstlern einen erweiterten künstlerischen Gestaltungsspielraum. Den Durchbruch brachte in den 1990er Jahren die bis heute gängige Präsentation über einen Videoprojektor und DVD- oder HD- Player. Durch die verbesserte Lichtstärke und Bildgröße können Videos heute bei Tageslicht und damit zum Beispiel auch bei Gruppenausstellungen neben Installationen, Fotos oder Gemälden gezeigt werden. Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, vergegenwärtigt man sich, dass in den 1970er und 1980er Jahren die Materialität und das Display eines 1-Kanal-Kunstvideos typischerweise aus einer Kassette bestand, die auf einem Monitor gezeigt wurde.
Dass Videokunst überhaupt auf unterschiedliche Weise präsentiert und „aktualisiert“ werden kann, gründet in der „von seinen Abspielgeräten trennbare Entität“2 eines Videotapes oder einer DVD. „Man kauft kein digitales Konglomerat von Hard- und Software, wie etwa bei einem interaktiven Kunstwerk, sondern ‚nur‘ das bildhafte ‚Werk‘ ohne seine Displaytechnik“3, so Dieter Daniels. Dies bringt den Vorteil mit sich, dass das Display frei wählbar und je nach Zweck und Nutzen adaptierbar ist. Einen Blick in die Zukunft weist dabei eine neue Generation von Highend-TV-Geräten wie diejenigen aus der Samsung S9 Serie auf. Mit imposanten Bildschirmdiagonalen von 85 Zoll (215 cm) bis 110 Zoll (279 cm) stehen sie der Videowiedergabe bezüglich Bildgröße und Tageslichttauglichkeit einem Projektor in nichts nach, bringen jedoch den Vorteil mit sich, dass sie im Unterschied zum Projektor nicht umständlich und möglichst unscheinbar an der Decke oder einer Wand fixiert werden müssen. Im Gegenteil präsentieren sich die mit der oben genannten UHD-Technologie ausgestatteten S9 Modelle selbst als elegante und stilvolle Raumobjekte. Die Displays sind in an Staffeleien erinnernde Rahmen befestigt und haben daher nichts mehr mit dem alten Kasten gemein, der einstmals hinter rustikale Holzwänden versteckt werden musste. Vielmehr ist Kunst hier bereits implementiert.
Insbesondere für Messepräsentationen von Galerien könnten hochwertige Monitore als geeignete Präsentationsfläche genutzt werden, die praktischerweise auch einfach inmitten des Raumes gestellt werden können. Die physische Präsenz der heute möglichen Displaygröße würde damit die nötige Aufmerksamkeit für die hochpreisige Videokunst mit sich bringen, um sich gegen die oftmals vorherrschenden raumgreifenden Installationen oder großformatigen Bilder zu behaupten. Ein Trend zu dieser Form der Präsentation war bereits auf der vergangenen Kunstmesse abc zu beobachten, bei der die Lisson Gallery eine Videoarbeit des angesagten Künstlers Christian Jankowski ebenfalls freistehend präsentierte, allerdings noch mit der gängigen TV-Architektur aus Bildschirm, Hals und Fuß. Die Suche nach einem variablen Display zeigte sich ebenfalls am Stand des Düsseldorfer Galeristen Max Mayer, bei dem die Arbeit „4 x exchange / abstraction“ (2013) der kanadischen Künstlerin Melanie Gilligan, bestehend aus vier HD- Videos, kreisförmig auf Flachbildschirmen mit Ständern und Rollen angeordnet war. Die Weiterentwicklung flexibler Bildschirmdisplays kommt auch den heute üblich gewordenen Mehrkanal- Videopräsentationen zugute, die ein Fortbewegen des Rezipienten im Ausstellungsraum voraussetzen.
Inzwischen zeichnet sich als Trend ab, dass Monitore nicht mehr lediglich Projektionsfläche für Kunst sind, sondern auf organische Weise mit dem Kunstobjekt verschmelzen. Für die gelungene Amalgamierung von variabler Displaytechnologie und digitaler Kunst steht beispielsweise die Installation „Origin of the Curve“ von Miguel Chevalier im Rahmen der Technik-Messe IFA 2014.4 Ein weiteres Beispiel ist der Kunst-Event „One Hundred – Art meets Technology“. Die vom sleek Magazin initierte Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, dass die Zusammenführung von Kunst und Technik zu inspirierenden künstlerischen Ausrucksformen führt. Die Künstler Katie Armstrong und Ori Gersht präsentierten dort ihre Werke auf Samsung S9 Modellen. Katie Armstrong stellt mithilfe eines aufwendigen Verfahrens kunstvolle Animationsfilme her. Sie verbindet dabei Fiktion und Realität, sowie digitale Technik mit handwerklicher Präzision. Die W erke entstehen durch eine Bleistiftzeichnung, die mit Tusche verarbeitet wird, dann gescannt und schließlich mit einer Vielzahl weiterer Zeichnungen am Computer zu Animationen zusammengefügt wird. Technische Mittel und musikalische Untermalung führen dazu, dass die Zeichnungen bewegt und faszinierend wirken. Katie Armstrong erzählt in ihren Filmen kleine Geschichten, die eine bestimmte Emotion einfangen und mittels Technik umgesetzt und präsentiert werden. Ori Gersht kombiniert für seine Werke die technischen Medien Fotografie und Film. Für seine neusten Werke nutzt er unterschiedliche Spiegel und Kameras, um mittels Reflektion eine neue Wirklichkeit darzustellen.
Die neuen technische Errungenschaften schaffen jedoch nicht nur neue Möglichkeiten bezüglich der Präsentation von innovativer Videokunst, die UHD-Auflösung mit ihren gestochen scharfen Details eröffnet vor allem eines: kreatives Potenzial. Man denke an Piere Huyghe, den Star der documenta 13, dessen mikroskopisch anmutende Videoaufnahmen von Pflanzen und Tieren die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen lassen. Oder an Jeremy Deller, bei dessen Beitrag „English Magic“ auf der vergangenen Biennale von Venedig die brillante Aufnahme und Widergabe des Videos eine Berauschung und Sinnesverwirrung des Betrachters bewirkt und die gezeigten Raubvögel bildlich aus der Videoprojektion zu fliegen schienen. Auch der junge britische Künstler Ed Atkins setzt für seine computergenerierten Filme gezielt HD-Qualität ein, um eine W irklichkeitsnähe zu erreichen, die zugleich verfremdend wirkt. Denn diese zeigt die gefilmten Oberflächen genauer als wir sie selbst sehen können, und spottet in ihrer aufdringlichen Perfektion unserer Wahrnehmung. Nicht zuletzt setzen Künstler, die im Bereich der virtuellen Kunst arbeiten, so etwa der Franzose Miguel Chevalier, die neue Technik gekonnt für ihre Zwecke ein.
Die heutige Allgegenwärtigkeit von Videokunst durch die selbstverständliche Präsentation in Ausstellungen und Galerien ist jedoch nur die eine Seite ihrer Sichtbarkeit. Denn Videokunst, so Daniels, „führt derzeit eine Art Doppelleben – online und im Kunstkontext“6. Auf Online-Plattformen wie Vimeo können viele Videos gestreamt werden, und auch YouTube hat die Videokunst für sich entdeckt. Bisher noch selten und umso wichtiger sind Initiativen wie imai, die mit ihrem Online-Katalog an der Schnittstelle zwischen diesen beiden Welten arbeiten.7 Das Internet wird damit zum „transgeografischen Ausstellungsraum“. Die neuen Distributionsmöglichkeiten von Videokunst laufen äquivalent zu den „Video on demand“ und „TV on demand“ Angeboten, die zunehmend an Beliebtheit gewinnen. Ein hochwertiger Fernseher kann in diesem Sinne multifunktional genutzt werden und beispielsweise TV-Serien sowie die eigene (Kunst-)Videosammlung gleichermaßen und jederzeit bedienen. Dies entspricht dem heutigen Anspruch auf Mobilität und Flexibilität des Rezipienten. Gerade für Videokunst ist dies ein wichtiger Aspekt, da bei Ausstellungsbesuchen oft die Zeit und Ruhe fehlt, diese zu genießen. Dieser Anspruch könnte mit den neuesten Technologietrends, die musealen Standards bereits entsprechen, in Zukunft eingelöst werden.
Text: Sarah Waldschmitt
Es werde Licht – Volvo Life Paint Next Post:
Mini Augmented Vision – Mit Brille für mehr Durchblick